Internationaler Ideenaufruf zur Kontextualisierung der wiedererrichteten Fassaden des Stadtschlosses / Humboldt Forums in Berlin, 2024; in Zusammenarbeit mit Dr. phil. Christoph Balzar

Schlossaneignung

Vom kolonialen Museum zum Museum des Kolonialismus

 

Unser Beitrag besteht aus zwei wesentlichen Elementen: der Umbenennung des Humboldt Forums in „Museum des Kolonialismus“ und einer kritischen Rahmung der baulichen Anlage durch modulare Containerarchitekturen.
Eine Umbenennung des Forums ist notwendig, um eine Übereinstimmung seiner musealen Form als nachgebautes Hohenzollernschloss mit seinem Sammlungsinhalt, also den Völkerkundesammlungen, herzustellen. Denn das Schloss verkörpert preußischen Machtanspruch und das Humboldt Forum zeigt Sammlungen, die oftmals durch koloniale Gewalt erworben wurden. Für viele Menschen ist das Humboldt Forum daher ein Symbol für preußischen Imperialismus, Ausbeutung und Unterdrückung.
Auf der anderen Seite nutzen viele weiß-deutsche Bürgerinnen und Bürger das Schloss als Projektionsfläche, um sich eine bruchlose Identität als „Nation der Dichter und Denker“ nach dem Vorbild der Gebrüder Humboldt zu konstruieren. Der koloniale Kontext der ausgestellten Objekte und die damit verbundene Verantwortung werden dabei oftmals ausgeblendet. Und gleichzeitig beobachten wir, wie gut die “geschichtslosen”, barocken Fassaden und ihre Symbolik von rechten Gruppierungen vereinnahmt werden können. Durch die Umbenennung werden Mission, Form und Inhalt versöhnt, das Kind bei seinem Namen genannt: Museum des Kolonialismus.
Und wenn innerhalb der neu-barocken Fassaden des Schlosses vieles bleiben mag, wie es ist – die Kuppel, das Spruchband und selbst eine geplante Gigantentreppe, so verändern die vorgelagerten Containerarchitekturen die Ausrichtung des Museums grundlegend. Denn während das Humboldt Forum im Berliner Schloss bisher den Fokus auf „andere“ Kulturen richtete, verschiebt das »Museum des Kolonialismus« diesen Blick auf das eigene, koloniale, weiße Selbstbild.
Durch die Container entsteht eine kritische Rahmung, die es ermöglicht, das ehemalige Humboldt Forum aus einer Meta-Perspektive zweiter Ordnung zu betrachten. Die Container repräsentieren dabei die Verbindung zwischen historischen Kolonialstrukturen und modernen globalen Handelsbeziehungen, die als Kontinuitäten des Ressourcen-Kolonialismus fortbestehen. Gleichzeitig erinnern sie als temporäre, günstige Bauten an die Nachwende-Zeit der vielen Zwischennutzungen und des Aufbruchs. Ihre Modularität und Flexibilität kontrastiert mit der Abgeschlossenheit des Schlosses. Die Container schaffen neue Berührungs- und Bezugspunkte, Räume für Dialog und lebendige Auseinandersetzung. Sie können flexibel zu Aussichtsplattformen, Ausstellungshallen oder Workshops arrangiert werden. So entstehen neue, niederschwellige Aneignungsräume für künstlerische Auseinandersetzung, öffentliche Diskussionen und Debatten. Hier können postkoloniale Perspektiven auf Deutschland genauso verhandelt werden wie die komplexe und wechselvolle Geschichte des Ortes selbst.
Das Museum des Kolonialismus wird den Symbolbau öffnen und für alle gesellschaftlichen Gruppen anschlussfähig machen, vor allem für jene, die sich durch das bestehende Museum bisher nicht repräsentiert fühlen.

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